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Richard Dank mit Jochen Baumgartner

| Journalismus im Berlin der 20er Jahre |


Inhalt

Journalismus der 20er Jahre
Zur Arbeitweise der Reporter und Journalisten
Berlin
Egon Erwin Kisch
Joseph Roth
Roth in Wien
Roth in Berlin
Roth als Journalist
Themen
Reflexion
Anmerkungen
Bibliographie


Journalismus der 20er Jahre

Die Zeitspanne war geprägt durch die extreme Beschleunigung aller Lebensbereiche. Ursachen, wie auch Auswirkungen dieser Entwicklung waren und sind am besten in der Stadt abzulesen - der enorme Bevölkerungsanstieg, die Kluft zwischen Arm und Reich, die Reizüberflutung und die daraus entstehenden Krankheiten - aber dennoch übte die Stadt eine nie zuvor gekannte Anziehungskraft auf die Bewohner, wie auch auf Außenstehende aus. Unter den Menschenmassen, die sich in die Metropolen zwängten , waren auch viele Künstler aller Sparten, die mit ihren Fähigkeiten versuchten ein Abbild der Stadt zu erzeugen. Sie zeichneten ein Portrait von dem Wesen, das sie am meisten interessierte und gleichzeitig ein ewiges Rätsel blieb, das sie so anzog, aber im selben Moment abstieß, das sie so liebten, aber einen Augenblick später die verhaßteste Schöpung auf der ganzen Welt war. Egal ob Literaten, Maler oder Fotografen, sie alle zeigten das Gesicht der Großstadt, so wie sie es sahen, aber schlußendlich sprachen sie damit nur ein relativ kleines Publikum an. Hinzu kam noch die zeitliche Verzögerung ihrer Werke, was nicht so recht in eine Epoche der erhöhten Geschwindigkeit und Produktivität paßte. Ein neues Medium, welches für lange Zeit das Gesicht der Welt prägen sollte, betrat die Bühne, und spiegelte wohl am besten die Gesellschaft der Zwischenkriegszeit wider - die Zeitung. Sie reflektiert und gibt Impulse. Sie ist genauso schnell, genauso unerbittlich wie die Wirklichkeit, nur noch etwas kurzlebiger. Aller was dort steht ist schon passiert, schon vorbei, Geschichte, aber sie beeinflußt die Zukunft. Dieses enorme Machtpotential konnte nur durch und in Großstädten entstehen. Das Klientel der Zeitungen war riesig, und ihre Unterschiedlichkeit enorm. Die Leser kamen aus allen gesellschaftlichen Schichten, und darauf reagierten die Herausgeber mit einem unendlichen Schwall von verschiedenen Blättern, die alle jemanden anderen ansprachen. Es war nicht selten, daß große Verlage zwei völlig konträre Meinungen unters Volk brachten - Hauptsache, die Auflage stimmte. So haben alle Journale erzählt, gelenkt und verführt, aber immer mit der Wahrheit, der Realität - zumindest aus der Sichtweise des Verfassers. Gewürzt wurden die Artikel mit subjektivem Wortwitz, um die Anliegen und Probleme deutlicher hervorzuheben. So entstand neben der realen Stadt, dem geografischen Punkt, ein zweites Gebilde: die geschriebene, beschriebene Stadt - die Wortstadt, wie sie Peter Fritzsche in Reading Berlin 1900 nennt. Die reale Stadt und die Wortstadt stehen nun eng in Zusammenhang; sie korrespondieren, reagieren aufeinander. Sie sind sogar in einer Weise von einander abhängig. Die Zeitungen zeigen ein Abbild der Stadt, erzeugen somit die Wortstadt. Diese wiederum lenkt ihre Einwohner und zeigt ihnen, wie sie die reale Stadt zu verstehen haben. Die reale Stadt reagiert sogleich darauf, und agiert gleichzeitig, indem sie wiederum neuen Anlaß gibt etwas zu verfassen, zu neuen Geschehnissen Stellung zu nehmen. Für den “Fremden” sind diese Wortstadtpublikationen sogar die einzigen Eindrücke, die er über einen Ort hat. Bei einem realen Besuch jedoch, vermischt er diese Wortstadt mit seiner Wahrnehmung der geografischen Stadt. Ein symbiotisches Bild entsteht, wie es auch bei den Einwohner selbst bereits vorhanden ist. Wortstadt und Realstadt fügen sich zusammen.


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Zur Arbeitsweise der Reporter und Journalisten


In die Zeitspanne der Zwischenkriegszeit, passend zu dem damaligen Empfinden von Journalismus, fällt auch die Entwicklung einer neuen Gattung der Berichterstattung - des Feuilletons. Aber zuvor etwas zur Entwicklung des Feuilletons, welcher dem Journalismus den ersten literarischen Höhepunkt beschert. Seine Wurzeln liegen bereits im Realismus, der ab dem ersten Viertel des 19.Jahrhunderts die emotional gefärbte Weltanschauung der Romantik ablöst. Die objektive Darstellung zeitgenössischer Wirklichkeit wird dann im letzten Viertel des Jahrhunderts im Naturalismus noch verstärkt. Hinzu kommt jetzt aber verschärfte Kritik an den gesellschaftlichen und politischen Zuständen. Die Neue Sachlichkeit, die dann am Anfang des 20.Jahrhunderts in Opposition vor allem zum Expressionismus tritt, steht ganz klar in der Tradition ihrer geschichtlichen Vorgänger. Sie bringt nun neben vielen anderen Kindern, wie Berthold Brecht´s Lehrstücken und realistischen Gegenwartsromanen wie Alfred Döblin´s Berlin Alexanderplatz, auch den Feuilleton hervor. Der Feuilleton ist der redaktionelle Teil einer Zeitung, in dem Artikel aller in gesellschaftlichem Interesse stehenden Bereiche des Lebens, wie Kultur, Politik, Wissenschaft, usw, aufgegriffen und behandelt werden. Die Darstellungform des Themas ist genauso weit gespannt wie das Thema selbst. Es reicht von der objektiven Kurzmeldung, über die subjektive Glosse, bis zum analysierenden, essayistischen Beobachtungen. Auch können es unterhaltende Beiträge wie Kurzgeschichten und Gedichte sein oder sehr persönliches wie Briefe. Wichtig ist einzig, daß diese Vorfälle bzw. Ereignisse authentisch und genau recherchiert sind. Die Realität wird dabei immer scharf und so objektiv wie möglich beobachtet, aber in einer Art Überklarheit abgebildet, die manchmal ironisch witzig, ein andermal übertrieben hart, ein drittes Mal vielleicht nur harmlos wirkt. Sicher ist, daß in diesen Texten immer die Person des Verfassers eine wichtige Rolle spielt, und sie mit ihren Worten versucht objektive Kritik an einem von ihm bezeugten Ereignisses zu üben. Die zwei wohl berühmtesten Journalisten bzw. Feuilletonisten der 20er Jahre waren Egon Erwin Kisch und Joseph Roth. Denn obwohl sich vor allem Roth auch später einen Namen als Romanautor machte, verliehen die beiden dem Journalismus literarische Anerkennung. Denn durch das stetige Ansteigen des Elends, den Zusammenbruch der Jahrhunderte alten Machtstrukturen in Europa, die zunehmende Radikalisierung der Bevölkerungen und nicht zuletzt durch die Eindrücke des Weltkriegs war es ihnen nicht mehr genug Bericht zu erstatten, Reporter zu sein, sondern für sie war es wichtig zu verstehen. Sie wurden zu Kritikern. Kisch sagt:
Der gute Journalist braucht Erlebnisfähigkeit zu seinem Gewerbe, das er liebt. Er würde auch erleben, wenn er nicht darüber berichten müßte. Aber er würde nicht schreiben ohne zu erleben.

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Berlin


Versuchen wir zuerst die geschichtliche Situation Berlins in den zwanziger Jahren zu beleuchten. 1911 wurden die Vorstadt-Trabanten mit dem Zentrum der damaligen Reichshauptstadt zum Zweckverband Groß-Berlin zusammengeschlossen. Berlin wuchs damit um 1,1 Millionen auf nunmehr über 3,8 Millionen Einwohner an und wurde flächenmäßig eine der größten Metropolen der Welt. Berlin war die größte Industriestadt des Kontinents, die größte Zeitungsstadt Deutschlands (149 Tageszeitungen erschienen hier) sowie ein geistiges und kulturelles Zentrum von Weltgeltung. Der 1. Weltkrieg von 1914-18 bedeutete mit dem Ende der Kaiserzeit, der Ausrufung der Republik, eine tiefgreifende Veränderung der politischen und gesellsschaftlichen Situation. Die Machtverhältnisse in Europa hatten sich verschoben, die Hegemonialbestrebungen Deutschlands mußten aufgegeben werden. Die Wirtschaft war am Boden. Die junge Weimarer Republik kämpfte aussenpolitisch um Anerkennug und innenpolitisch um die Etablierung der ersten Demokratie. Die Regierung, die, aus Angst vor der aufgeheizten Stimmung in Berlin, schon ihre konstitutionierenden Versammlung nach Weimar verlegt hatte, mußte erst den Spartakus Aufstand der Linksradikalen und dann den Kapp-Putsch der Rechten niederschlagen. Die Reparationsleistungen an die Kriegsgewinner und ein Streikwelle bedrohten die Wirtschaft zusätzlich. Die vorübergehende Stabilisierung der Wirtschaft zu Beginn der zwanziger Jahre begründete in einer euphorischen Welle ihrer kurzen Blüte die absurde Legende der ”Goldenen Zwanziger” . Daß der Alltag der einfachen Menschen in den Mietskasernen jedoch vielmehr geprägt war von Inflation und Wirtschaftskrise, sozialer Verarmung und politischer Radikalisierung, sollte sich schon bald auf verhängnisvolle Weise zeigen. Die „Goldenen Zwanziger“ sind heute noch eine Legende. Berühmte Architekten wie Walter Gropius, Hans Scharoun, Bruno Taut, Emil Fahrenkamp, Hans Poelzig und Martin Wagner bauten in der Stadt. Die wahre Periode der Aufklärung begann erst jetzt, der Mensch begann sich als soziales Wesen zu betrachten, wurde vom Individuum zum Teil einer Soziätät. 1923 erlebte der Rundfunk in Berlin seine deutsche, 1931 das Fernsehen seine Weltpremiere. Wissenschaftler wie Fritz Haber, Albert Einstein, Carl Bosch und Otto Warburg holten Nobelpreise nach Berlin. Maler wie George Grosz, John Heartfield, Max Beckmann, Otto Dix und Lyonel Feininger, Schriftsteller wie Bertolt Brecht, Arnold Zweig, Kurt Tucholsky und Carl von Ossietzky prägten von Berlin aus eine ganze künstlerische Epoche. Kabarett und Varieté erlebten eine Blütezeit.


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Egon Erwin Kisch




Geboren wurde Egon Erwin Kisch am 29.April 1885 in Prag als Sohn deutsch-jüdischer Eltern. Er begann seine journalistische Laufbahn mit 20 Jahren beim Prager Tagblatt. Er pflegte enge Kontakte zu deutschsprachigen Autoren wie Rainer-Maria Rilke und Franz Kafka aber auch zu tschechischen Schriftstellern. In ausgedehnten Streifzügen durch die Unterwelt lernte er seine Heimatstadt neu kennen. Die ersten Erfolge seiner kriminalistischen Reportagen stellten sich bald ein. 1913 verließ er Prag und kehrte bis auf ein paar kurze Aufenthalte in der Tschechoslowakei erst zwei Jahre vor seinem Ableben in seine Heimatstadt zurück. Die Verwandlung zum in Zusammenhängen denkenden Journalisten vollzog sich in den Kriegsjahren. Nach seiner Verwundung und dem Ende des ersten Weltkriegs trat er mehreren sozialistischen bzw. kommunistischen Vereinen bei. Anfang der 20er war er der Starjournalist schlechthin. Er schrieb für unzählige Blätter hauptsächlich in Berlin und Wien. Ab Mitte der 20er bereiste er die ganze Welt und fand zusehends in seinen Reisereportagen zu jener literarischen Form, die auf die Analyse sozialer und politischer Zusammenhänge zielte. Die gewaltige Resonanz seiner Berichte führte zur Herausgabe zahlreicher Sammlungen seiner Feuilletons, in denen scheinbar abseitige, alltägliche Themen zu Paradigmen umfassender Entwicklungsvorgänge werden. Ausgehend von den Sammlungen Der rasende Reporter und Hetzjagd durch die Zeit verfeinert er die dialektische Präzision seiner Arbeit. Als erbitterter Feind des Nationalsozialismus nahm er auch am Spanischen Bürgerkrieg 1937/38 teil. Er starb am 31.März 1948 in Prag. In seinem Bemühen um lebendige und pointierte Reportage, um Realismus und ungeschminkte Wahrheit hat Egon Erwin Kisch die Entwicklung seines Genres vorangetrieben und maßgeblich beeinflußt. Seine Reisen führten ihn durch ganz Europa und nach Afrika, in die Sowjetunion und die Vereinigten Staaten, nach China, Australien und Mexiko. Kisch´s Arbeiten, seine Texte waren ja meist nur für den Tag geschrieben, und eigentlich auf viele Zeitungen und Zeitschriften verstreut, ist es ohne zusätzliche Erläuterungen meist schwierig zu folgen - die Kurzlebigkeit journalistischer Feuilletons liegt ja auf der Hand. In den Sammlungen gibt es allerdings einen ausgedehnten Anhang in dem versucht wird, die nur aus dem Tagesgeschehen und aus lokalen Vorfällen heraus verständlichen Anspielungen auf Personen und Sachverhalte aufzuhellen. Zu der grundsätzlichen Frage ob es sinnvoll ist Texte, die an einem bestimmten Tag für den nächsten Tag, in einer bestimmten Verfassung oder plötzlichen Gemütsregung des Autors heraus, zu einem bestimmten Thema, erneut aufzulegen, meint Kisch in seiner 1929 im Berliner Tagblatt erschienenen Kritik einer solchen Sammlung eines seiner Kollegen:
Gott bewahre uns gleichermaßen vor der Tageseinstellung als Autor wie vor dem Ewigkeitsaspekt als Zeitungsredakteur. Das Recht, sich vom journalistischen Subjekt zum literarischen Objekt zu machen, wird im Grunde nur dem zuzubilligen sein, der entweder von vornherein die Zeitung bloß als wirksame Gelegenheit zum Vorabdruck eines behandelten Komplexes betrachtet hat, oder aber dem, dessen Persönlichkeit wichtiger ist als die Materie, über die er auszusagen hat.62
Kisch gehört sicherlich zur zweiten Kategorie. Seine Themen sind durchwegs wichtig gewesen. Zumindest waren sie es am Tage des erstmaligen Erscheinens, und der Autor trat hinter sie zurück. Aber er hat aus Respekt vor seinem eigenen kritischen Geist, aber auch vor den ungeheuren Massen seiner Leser, seine Arbeiten mit solcher Sorgfalt und Hingebung geschrieben, daß die Ovationen der damaligen Zeit nur die erste Stufe waren. die literarische Qualität wird erst später, losgelöst vom eigentlichen Geschehen und außerhalb von berichtenden Zeitungen erkennbar. Das folgende kurze Beispiel stammt aus dem Jüdischen Almanach auf das Jahr in dem Kisch unter dem Titel Begegnungen mit Juden fünf Texte veröffentlichte.
Die Leute, die auf dem Kaschauer Markte verkaufen, die Leute, die auf dem Kaschauer Markte kaufen, haben zumeist nichts zu lachen. Nur ein alter, weißbärtiger Jude steht vor seinem Brett und lacht, lacht ein lautes, meckerndes Gelächter. Er bietet einen Scherzartikel feil - die hohle Blechfigur eines nackten Knäbleins, das sich durch Druck auf einen Gummiball in ein “Manneken Pis” verwandelt. Stundenlang läßt er das Figürlein spritzen und stundenlang lacht er dazu, um die Vorübergehenden zum Mitlachen zu animieren oder auf die Komik des Spielzeugs aufmerksam zu machen. Sein Geschäft erheischt es, daß er lache - von den zehn Hellern, die er für den Verkauf eines Männekens erhält, ist ein Bruchteil sein Profit. Er lacht von Wochenmarkt zu Wochenmarkt, er lacht vielleicht schon seit dreißig, seit vierzig Jahren sein berufsmäßiges, gezwungenes Lachen, um ein paar Kaschauer Gassenbuben oder ein paar Slowakenmägde zum Kaufe des albernen Scherzartikels zu bewegen, er lacht, und ist wahrscheinlich ein würdiger, ernster, frommer Greis, Vorsteher eines Gebetshauses, hat daheim Kinder und Enkelkinder, die er etwas tüchtiges lernen lassen möchte, Not, Schwäche und Sorge foltern seinen Kopf, sein Herz und seinen Körper, und er muß tun, als lache er sich tot über eine pissende Puppe.63
Oberflächlich beschreibt Kisch nur was sich zugetragen hat: Ein Mann steht am Wochenmarkt und verkauft Scherzartikel. Aber man merkt bereits in der Eindringlichkeit und der Präzision, in der er erzählt, und auch in der Orthographie, in der schreibt, daß dies keine herkömmliche Reportage ist. Dennoch, er bleibt objektiv. Nur einmal entrutscht seiner Feder eine Kategorisierung: der alberne Scherzartikel. Doch man liest den Text und wartet auf ein Ereignis, aber es will einfach nichts passieren, bis zur letzten Zeile hin nicht. Doch die beiden letzten Worte: pissende Puppe. Sie vermitteln uns die Pointe. Ein ehrwürdiger Greis lacht über eine pissende Puppe. Man schmunzelt über die Ironie in diesen zwei Worten. Aber es ist nicht so einfach - es ist kein Witz, dieser Text. Denn einen Bruchteil einer Sekunde später wird man sich über die Tragik in der Rolle des Protagonisten klar. Wie muß es in ihm aussehen, wie fühlt er sich, was empfindet er lachen zu müssen um sein täglich Brot zu verdienen, um nicht zu verhungern. Doch es geht noch einen Schritt weiter. Ist dieser Mann, Würdenträger seines Volkes, der sich verkaufen muß um zu überleben, nicht eigentlich wirklich einer der noch Glück hatte? Gibt es nicht Tausende die noch weniger haben, die noch tiefer im Elend stecken? Nun erst erkennt man, wie Kisch diesen zum Lachen gezwungenen Verkäufer zum Spiegel für das moderne städtische Leben, besser Überleben, ja für die gesamte Gesellschaft seiner Zeit macht. Und das alles eigentlich erst mit den zwei letzten Worten seines Feuilletons. Ohne diese kurze, aber entscheidende Passage wäre die Geschichte uninteressant, sogar belanglos, doch er zeigt uns die Wahrheit hinter der offensichtlichen Realität. Er verändert die Wahrnehmung der Situation und des gesamten Ortes. Man sieht nun den Kaschauer Wochenmarkt mit anderen Augen. Manche macht er vielleicht überhaupt erst sehend. Im Vorwort zur Originalausgabe des Rasenden Reporters sagt Kisch:
Nichts ist verblüffender als die einfache Wahrheit, nichts ist exotischer als unsere Umwelt, nichts ist phantasievoller als die Sachlichkeit. Und nichts Sensationelleres gibt es in der Welt als die Zeit, in der man lebt.
und später noch:
Die nachstehenden Zeitaufnahmen sind nicht auf einmal gemacht worden. Subjekt und Objekt waren in verschiedensten Lebensaltern und in verschiedensten Stimmungen, als die Bilder entstanden, Stellung und Licht waren höchst ungleich. Trotzdem ist nichts zu retuschieren, da das Album heute vorgelegt wird.64


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Joseph Roth




Joseph Moses Roth kam am 2. September 1894 in Brody/Galizien als Sohn von Maria Grübel und Nachum Roth, beide jüdischer Abstammung, zur Welt. Josephs Vater war wahrscheinlich Getreideeinkäufer für eine Hamburger Firma als er Maria Grübels Bräutigam wurde und sie 1892 heirateten. 1893, also vor der Geburt seines Sohnes, erkrankte Nachum Roth auf einer geschäftlichen Reise nach Hamburg noch im Zug, und mußte in Deutschland in eine Heilanstalt für Geisteskrankheiten eingewiesen werden. Lange Jahre galt er für seine Famillie als verschollen. Nachdem man ihn dann in Deutschland aufspüren konnte vertraute man ihn der Pflege eines polnischen Wunderheilers an, wo er 1910 verstarb, ohne seinen Sohn jemals kennengelernt zu haben. In seinem Drang zur mystifizierung hat Joseph Roth später die unterschiedlichsten Versionen seiner Herkunft in Umlauf gebracht. Mal war er der Sohn eines Wiener Munitionsfabrikanten oder Kunstmalers, dann war sein Vater Offizier, ein anderes mal gab er sich als uneheliches Kind eines höheren österreichischen Staatsbeamten aus. Die Famillie Roths verbreitete der Vater sei ein Selbstmörder gewesen; besser jemand der sich gegen Gott versündigt als jemand der von Gott dermaßen gestraft wurde. Joseph Roth schrieb in einem Brief an seinen Verleger über ihn:
Er muß ein merkwürdiger Mensch gewesen sein, ein Österreicher vom Schlage der Schlawiner, er verschwendete viel, trank wahrscheinlich und starb, als ich sechzehn Jahre alt war im Wahnsinn.1
Maria Roth kehrte, nachdem sie eineinhalb Jahre mit ihrem Mann in Brody gelebt hat wieder in ihr Elternhaus zurück wo sie auch ihren Sohn gebar. Ihm widmete sie ihr weiteres Leben, kümmerte sich ausserdem um den Haushalt ihres Vaters, bis dieser 1907 verstarb. Ihr wohlhabender Bruder Siegmund Grübel wurde Josephs Vormund, und nahm sich ebenso wie Marias andere Brüder Heinrich, Norbert, Salomon und Willy des vaterlosen Jungen an. Joseph der sich jedoch durch die Art wie sein Vormund ihn miterzog und begönnerte in seiner Sensibilität nicht wenig verletzt fühlte nannte seinen Onkel
einen geizigen Heuchler.2
Möglicherweise lieferte Siegmund Grübel ihm die Vorlage für Bloomfield, den amerikanischen Onkel, oder auch Phöbus Böhlaug im Hotel Savoy. Mutter und Sohn scheinen eingeschränkt gelebt zu haben, hatten aber genug um dem Jungen Violinuntericht leisten zu können, sie waren also nicht arm. Die aufopfernde Liebe der Mutter geiselte Joseph geradezu und führte in späteren Jahren immer mehr zu Problemen. Er wuchs isoliert auf und kannte keine Freundschaften zu anderen Kindern. Neben einem Vater fehlten ihm ebenso Geschwister und gleichaltrige Kameraden. In dem o. g. Brief an Gustav Kiepenheuer finden wir auch einen Abschnitt über Roths Jugendjahre in Brody, demzufolge war er
ein besonders braver Junge, voll stiller Bosheit und gefüllt mit Gift, bescheidenem Hochmut, erbittert gegen die Reichen, aber ohne Solidarität mit den Armen. Sie erschienen mir dumm und ungeschickt. Auch hatte ich Angst vor jeder vulgären Äußerung.1
In einem späten Roman Die Kapuzinergruft schildert Roths Ich-Erzähler die Beziehung zu seiner Mutter, welche durchaus aus seinem eigenen Leben stammen könnte:
Ich dachte zeitweise daran, meine Mutter zu meinem Vertrauten zu machen. Aber ich hielt sie damals, als ich noch jung war und weil ich so jung war, für unfähig, meine Sorgen zu verstehen. Die Beziehung, die ich zu meiner Mutter unterhielt, war nämlich ebenfalls keine echte und ursprüngliche, sondern der kümmerlich Versuch, das Verhältniss nachzuahmen, das die jungen Männer zu ihren Mütern hatten. In ihren Augen waren es nämlich gar keine wirklichen Mütter, sondern eine Art von Brutstätten (...) Ich aber empfand zeit meines Lebens ein fast heilige Scheu vor meiner Mutter; ich unterdrückte dieses Gefühl nur.3
Nach dem 1. Weltkrieg kümmerte sich Roth nur noch wenig um seinen Mutter, besuchte sie auch nicht mehr. Erst als sie nach einer Krebsoperation im sterben lag sah er sie ein letztes mal. Roths Heimat Galizien und Wolhynien tauchen in seinen Erzählungen immer wieder als Schauplätze auf; seine Heimatstadt war ein Schmugglernest an der Grenze, über das H. Nürnberger schreibt:
Brody war Sitz einer Bezirkshauptmannschaft, hatte eine Garnision (Ulanen und Jäger), ein Schloß, drei Hauptkirchen, eine Synagoge, ein humanistisches Gynasium, ein wenig Industrie (eine Dampfmühle, eine Garnsipnnerei)-, vor allem das Gymnasium machte die Stadt zu einem ”vorgeschobenen Posten deutscher Sprache und Kultur” (Otto Forst de Battaglia), desen Tage angesichts der fortsschreitenden Polonisierung allerdings bereits gezählt waren. Brody war ein Zentrum der Haskala. Der jüdischen Aufklärung.4
Für Joseph Roth selbst war seine Heimat voll verborgener Schönheit und Geheimnisse, wenn auch geprägt von Armut und Dürftigkeit.
Es ist schwer zu leben. Galizien hat mehr als acht Millionen Einwohner zu ernähren. Die Erde ist reich, die Bewohner sind arm. (...) Zu viele Händler, zu viele Beamten, zu viel Soldaten, zu viel Offiziere gibt es. Alle leben eigentlich von der einzigen produktiven Klasse: den Bauern.-Die sind fromm, abergläubisch, furchtsam. Sie leben in scheuer Ehrfurcht vor dem Priester und haben einen maßlosen Respekt vor der ”Stadt”, aus der die seltsamen Fuhrwerke kommen,die ohne Pferde fahren, die Beamten, die Juden, die Herrschaften, Ärzte, Ingenieure, Geometer, Elektrizität, genennt Elektryka; die Stadt, in die man die Töchter schickt, auf das sie Dienstmädchen werden und Prostituierte; die Stadt, in der die Gerichte sind, die schlauen Advokaten, vor denen man sich hüten muß, die gerechten Richter in den Talaren hinter den metallenen Kreuzen, unter dem bunten Bild des Heilands, in desem heiligen Namen der Mensch verurteilt wird zu Monaten und zu Jahren und auch zum Tode durch den Strang; die Stadt, die man ernährt, damit man von ihr leben kann, damit man in ihr bunte Kopftücher kaufe und Schürzen, die Stadt, in der die ”Kommissionen” die Verordnungen, die Paragraphen, die Zeitungen ausbrechen,5
schreibt Roth 1924 zum ersten mal in seinem dreiteiligen Bericht Reise durch Galizien über seine Heimat. 1901 kam Roth in die Schule. Er besuchte die, für die damalige Zeit sehr fortschrittliche jüdische Gemeindeschule, deren promovierter Direktor, ebenso wie sein Deutschlehrer das literarische Talent erkannten und förderten. Trotzdem schrieb er 1920 in einem Beitrag für den Neuen Tag:
Die Schule war eine Art Kaserne. Der Unterricht alten Stils bestand aus geistigen Gelenksübungen. Und Kopfnicken war die wichtigste.6
1905 trat er in das k.k. Kronprinz-Rudolf-Gymnasium über, um dort 1913 als bester seines Jahrgangs die Matura zu machen. Roth über seine Schulzeit als Primus:
Ich war ein ausgezeichneter Schüler (...) Ich fügte mich den unüberwindlichen Mächten, und weil sie mir nichts anhaben konnten fühlte ich mich frei.6
Doch auch hier blieb er ein Einzelgänger:
die Mitschüler empfanden sein anderssein, litten wohl auch unter seiner Überlegenheit.8
Im Wintersemester 1913/14 inskribierte Roth in Lemberg Germanistik, tat dies aber nur scheinhalber, um so bald als möglich nach Wien zu wechseln. Anläßlich eines Zionistenkongreßes reiste er bereits im September 1913 vorgeblich als Korresspondent nach Wien, um gleich dort zu bleiben.


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Roth in Wien




Das Wien von 1913 hat vielerlei Gesichter, je nach der Warte aus der man es betrachtet. Ob als Adliger, Gelehrter, Künstler, Bürger oder Proletarier. Zwei Beispiele konträrer Wahrnehmungen liefern uns Robert Musils Mann ohne Eigenschaften und Roths Radetzkymarsch:
Es ist als habe der eine Autor noch nie einen Fiaker, der andere noch nie ein Auto gesehen.9
Wien war Hauptstadt eines großen Reiches, Wirtschaftszentrum und Kunstmetropole im traditionellen wie im experimentellen Bereich. Mit über 100 000 jüdischen Einwohnern war es außerdem die größte jüdische Gemeinde Mitteleuropas. Für Roth, einen galizischen Juden war Wien das Wunder der Zivilisation schlechthin, so daß auch Wien immer wieder als Inspiration für literarische Orte herngezogen wurde: die Morgenstunden in Perlefter, die Herbstliche Ringstraße im Hotel Savoy, die geschundene Nachkriegsstadt in seinen Lokalberichten, um nur einige Beispiele zu nennen. Das ideologische Element, mit dem er Österreich in seiner Spätphase insbesondere während seines Exils, verband, welches er später ja sogar zu produzieren half, trat während seiner Studentenzeit im Vorkriegs-Wien noch nicht auf. Auch als Student gelang es Roth durch überragende Leistungen auf sich aufmerksam zu machen; bald schon war er der Lieblingsschüler seines Professors Walter Brecht. Am 17. Oktober 1915, noch während seiner Studentenzeit, erschien in Österreichs Illustrierter Zeitung seine erste Veröffentlichung, das Gedicht Welträtsel, dem bis September 1916 noch ein weiteres halbes Dutzend Beiträge, Prosa und Gedichte, folgten. Im August 1916 rückte er, der anfängliche Kriegsgegner, freiwillig ins Millitär ein und wurde im Pressedienst in der Nähe seiner Heimat, in Lemberg eingesetzt. Ob er an Kampfhandlungen teilgenommen hat ist nicht bekannt. In einem Brief schreibt er über seinen Posten:
Doch hat der Aufenthalt hier einen großen Vorzug: man ist 10 Kilometer vom Schuß entfernt. Reservestellung.10
Während seiner Soldatenzeit veröffentlicht er fleißig weiter in Österreichs Illustrierter Zeitung, in der Wochenzeitschrift Der Friede, und im Prager Tagblatt erscheinen weitere Gedichte. Nach Kriegsende kehrt Roth im Dezember 1918 nach Wien zurück. Nach Versuchen zu seiner Famillie, durch die er durch die Grenzveschiebung getrennt wurde, zurückzukehren, beschließt er in Wien zu bleiben. Mittellos, die Fortsetzung seines Studiums in weite Ferne gerückt, wird er Journalist und findet zunächst als lyrischer Feuilletonist seine Bestimmung. Die Kriegsniederlage, das Ende einer mehrhundertjährigen Reichsgeschichte bedeutet für die Einwohner des übriggebliebenen Rumpfstaates nicht nur den Verlust des Sicherheitsgefühls der Vorkriegsjahre. Der alten Generation ging die Vergangenheit verloren, der jungen stellte sich eine vage Zukunft, zusätzlich belastet durch die Kriegserfahrungen. Gertrude Stein bezeichnete sie als Lost Generation.
Wir sind verlassen wie Kinder und efahren wie alte Leute, wir sind roh und traurig und oberflächlich – ich glaube wir sind verloren.11
, beschreibt Remarque in Im Westen nichts Neues. Roth veröffentlichte erste Feuilletons im April 1919 im Neuen Tag denen bis zum Konkurs der Zeitung über hundert weitere Beiträge folgen sollten . Den bescheidenen materiellen Wohlstand den ihm diese Veröffentlichungen ermöglichen geniest er im ausgiebigen Alkoholkonsum; mehr als einmal wird er
versoffen und zerlumpt auf der Straße liegend aufgefunden 12
, und bereits 1925 muß er an Brentano berichten:
Bin krank: Trinkerleber. Wächst bis zum Herz.13
Nachdem der Betrieb beim Neuen Tag eingestellt worden ist übersiedelte Roth am 1. Juni 1920 nach Berlin.


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Roth in Berlin




Hier begann er Filmrezessionen in dem Boulevardblatt Neue Berliner Zeitung, später das 12 Uhr Blatt, zu veröffentlichen, welche er nebenbei auch noch selbst auf der Straße verkaufte, um über die Runden zu kommen. Es dauerte nicht lange bis er Fuß fassen konnte und auch im Berliner Tageblatt und im Feuilleton des Berliner Börsen Courier ,einer bürgerlich-reaktionären Zeitung, erschien. Seine Mitarbeit bei dieser Zeitung kündigte er jedoch bald schon zugunsten dem Organ der Sozialdemokratischen Partei ”Vorwärts”. Es beginnt sich sein politisches Engagement welches sich klar gegen die Reaktion richtete abzuzeichnen:
Ich kann wahrhaftig nicht mehr die Rücksicht auf ein bürgerliches Publikum teilen und dessen Sonntagsplauderer bleiben, wenn ich nicht täglich meinen Sozialismus verleugnen will.14
Über die Stadt in der er sich niemals heimisch fühlte schreibt er:
Kein Ostjude geht freiwillig nach Berlin. Wer in aller Welt kommt freiwillig nach Berlin (...) In Berlin freut man sich nicht. In Wien werden Witze gemacht, in Berlin ist das Blasphemie. Sie ist die Hauptstadt ihrer selbst (...) Sie hat keine eigene Kultur (...), keine eigene Religion (...), keine Gesellschaft (...) Aber sie hat alles, was überall in allen anderen Städten erst durch die Gesellschaft entsteht.15
Doch es begannen in Berlin gerade jene Goldenen Zwanziger während der unter den schwierigsten wirtschaftlichen Bedingungen die Kultur die seltsamsten Blüten treiben sollte. Das Pressepotential war gewaltig, das Geistige Leben bot vielfältige Anregungen. Die Stadt pulsierte und zog die jungen Talente in ihren Bann. Joseph Roth fühlte sich in Berlin nicht wohl. Er kam um Karriere zu machen, was ihm auch gelang, und er fand reichlich Stoff für seine Erzählungen. Er rieb sich an Berlin, der Unüberschaubarkeit, dem Tempo, dem sozialen Gebilde, den Gegensätzlichkeiten und wandelte seinen Ärger, seine Abscheu in geschriebene Worte. Diese Auseinandersetzung trieb ihn bis in die entlegensten Winkel der Stadt. Wir lesen vom Verkehr, dem Stadtleben, dem Kino, Theater, der literarischen Szene, den sozialen Nöten und finden immer den Menschen im Vordergrund, oft genug den Armen, Vertriebenen, Leidenden. Er beobachtet mit den Augen Eines der den Wahnsinn dieser Stadt durchschaut hat:
Sie allein von allen Städten, die ich bisher gesehen habe, hat Humanität aus Mangel an Zeit und anderen praktischen Gründen. In ihr würden viel mehr Menschen umkommen, wenn nicht tausend vorsichtige, fürsorgliche Einrichtungen Leben und Gesundheit schützten, nicht eil das Herz es befiehlt, sondern weil ein Unfall eine Verkehrsstörung bedeutet und die Ordnung verletzt.30

Frederike Reichler

Am 5. März 1922 heiratete er in Wien Frederike Reichler, die ihm nach Berlin folgte. Als die Inflation die deutsche Wirtschaft endgültig in die Knie zwang kehrten sie im Juni 1923 gemeinsam nach Wien zurück. Seit 1923 schrieb Roth für das Prager Tagblatt, das damals als eine der renommiertesten Zeitungen galt. Zwischen 1922 und 24 entstanden auch seine ersten Romane das Spinnennetz, Hotel Savoy, und die Rebellion, die schon seit 1920 in Entwürfen vorlagen. Das Spinnennetz handelt vom aufkeimenden Nationalsozialismus und den gesellschaftlichen Strukturen, die ihm den erforderlichen Nährboden verschafften. Drei Tage vor dem Putschversuch Hitlers in München, der in diesem Roman sogar namentlich erwähnt wird, erschien der Roman als Vorabdruck, und legt Zeugniss ab von dem ausserordentlichen politischen Gespür das Roth besaß. Im Frühjahr 1925 lebten Joseph Roth und seine Frau zum ersten mal in Paris, der Sadt die ihm bald zur Exilheimat werden sollte. Schon die anstehenden Kanzlerwahlen wiesen ihm in fast prophetischer Weise die Zeichen der Zeit:
Wenn es Hindenburg wird (Damals eine Leitfigur der Rechten, anm.d. Verf.), reise ich ab, ich weiß was dieser Wahl folgen wird.16 Und er ist begeistert von Paris: Paris ist eine wirkliche Weltstadt.(...) Die wirkliche Weltstadt ist objektiv. Sie hat Vorurteile, wie die anderen, aber keine Zeit sie anzuwenden.17
Um Roth auch weiter an sich zu binden, bot die Redaktion der Frankfurter Zeitung ihm eine Korrespondentenreise durch Südfrankreich an. Für Roth stellte diese Reise einen, wenn nicht sogar den Höhepunkt seiner Korrespondententätigkeit, ja seines Lebens dar. Aus Marseille schreibt er am 22. August 1925:
Ich gehe heute in den alten Hafen für die Nacht. Das ist die Welt in der ich eigentlich zu Hause bin. Meine Urväter mütterlicherseits leben dort. Alle verwandt. Jeder Zwiebelhändler mein Onkel.18
1926 gab die Frankfurter Zeitung die Korrespondenz an F. Siegburg ab. Roth bereißte daraufhin Rußland; die einzige Alternative zu Paris war für ihn Moskau. Über Berlin und Frankfurt kehrte er nach Paris zurück, und beendete dort 1927 die Flucht ohne Ende, welche er während der Rußland-Reise konzipierte, 1929 stellte er Rechts und Links fertig. 1927 bereiste er Albanien und das Saargebiet, 1928 folgte eine Reportagereise durch Polen, im gleichen Jahr erscheint Zipper und sein Vater. Schon seit 1926 kündigte sich die geistige Erkrankung Frederikes an. Die schöne Wienerin erregte das Interesse Aller, und besonders die Eifersucht ihres Gatten. Er versuchte seine Frau, die er sehr liebte, nach seinen Idealen zu formen und unterdrückte ihre wahre Persönlichkeit. Das tragische Schicksal dieser Liebe endete für Frederike 1929 in einer Berliner Nervenheilanstalt; Diagnose Schizophrenie. 1930 brachte man sie nach Österreich um sie bis 1940 in verschiedenen Anstalten zu pflegen. Schlieslich fiel sie dem Euthanasieprogramm der Nazis zum Opfer. Roth, der wieder in Paris lebte , verlor sich, gequält von Schuldgefühlen, immer mehr im Alkohol. Ab 1929 erschien Roth aus rein materiellen Gründen in den chauvinistisch-reaktionären Münchner Neuste Nachrichten, die er 1924 im Bilderbogen selbst noch beschimpfte. 1930 erschien Hiob, Roths erfolgreichstes Buch, 1932 der Radetzkymarsch. 1933, unmittelbar nach der Machtübernahme Hitlers, ging Roth endgültig nach Paris.
Jede Hoffnung ist aufzugeben, endgültig, gefaßt, stark, wie es sich gehört. Zwischen uns und ihm ist Krieg. Jeder Gedanke an den Feind wird mit dem Tode bestraft. Alle Schriftsteller von Graden die dort geblieben sind, werden den literarischen Tod erleiden.19
Seine Schriften kamen in Deutschland auch sofort auf die Schwarze Liste. Reisen nach Wien , Amsterdam und Ostende, eine Vortragsreihe durch Polen unterbreachen sein Exil, wo er, verzweifelt über das private und politische Schiksal seiner (großdeutschen) Heimat, zunehmend dem Alkohol verfiel.
Wir haben Alle die Welt überschätzt: selbst ich, der ich zum absolut Pessimistischen gehöre.- Die Welt ist sehr , sehr dumm, bestialisch. Ein Ochsenstall ist klüger. Alles: Humanität, Zivilisation, Europa, selbst der Katholizismus; Ein Ochsenstall ist noch klüger.20
1938 schrieb er:
Österreich ist kein Staat, keine Heimat, keine Nation. Es ist eine Religion.21
Dieser spärliche Glaube wurde ihm im März 1938, nach dem Anschluß an das Deutsche Reich auch nochgenommen. Helmuth Nürnberger über Roths letzte Jahre:
Während Hitler seine braunen Sturmabteilungen ausschickte und Stalin damit beschäftigt war, seine eigenen Offiziere zu liquidieren, schrieb Roth als politischer Publizist Artikel und Reden für einen habsburgischen christlichen Ständestaat. Das Mißverhältniss der Kräfte ist nicht ausdrückbar. Roth kämpfte tapfer mit seinen Mitteln, aber was war er anderes als ein Politisch-Ratloser, zuletzt ein zerstörter Mann, ein hilfloser Trinker? (...) ein österreichischer Don Quijote.22
Am 27. Mai 1939 stirbt Roth endgültig zermürbt in Paris.


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Roth als Journalist


Joseph Roth arbeitete sein Leben lang für die Zeitung, war als Journalist immer der Gegenwart zugewandt, von der politischen Verantwortung der Schriftsteller überzeugt, und scheute sich nicht dies kundzutun: er klagte gegen den Krieg, das reaktionäre Akademikertum, die falsche Gelehrsamkeit, die spießbürgerlich gewordene Revolution, die Hitlerei. Das Feuilleton der damaligen Zeit war weit anspruchsvoller als heutzutage, der Leser erwartete literarische und essayistische Texte von zeitlosem Wert, die Kulturberichterstattung spielte nur eine Nebenrolle.
Ich bin Journalist, kein Berichterstatter, ich bin ein Schriftsteller, kein Leitartikelschreiber.23
immer wieder lenkte er den Blick des Lesers auf das scheinbar Nebensächliche,
Nur durch minutiöses beobachten der Wirlichkeit kommt man zur Wahrheit.24
Er bediente sich dabei der unterschiedlichsten Blickwinkel, mal war er Flaneur, mal Plauderer, bald Korrespondent oder Satitiker, dann wieder Kritiker. Nach der Wiedervereinigung 1989 begann die Entdeckung des journalistischen Ouevres Roths aus dem Berlin der zwanziger Jahre. Auf der Suche nach Kulturzeugnissen aus der Zeit vor dem kalten Krieg erkennt der Leser die unvergängliche Aktualität Roths, wenn er über Menschen, Straßen und Verkehr schreibt. Obwohl seine besten Arbeiten für das Feuilleton der Mehrzahl seiner Romane an künstlerischer Reife überlegen und vielsseitiger sind, außerdem mehr stoffliches Interesse bieten liegt der schwerpunkt des Interesses immer noch auf seinen Romanen und Erzählungen. Für Roth selbst war journalistisches und schriftstellerisches Schaffen eine Einheit.
Wenn deutsche Journalisten Bücher schreiben, bedürfen sie beinahe einer Entschuldigung. Wie kamen sie dazu? Wollen die Eintagsfliegen in den Rang höherer Insekten aufsteigen? Wollen sie, die dem Tag angehören, in die Ewigkeit eingehen? Professoren und Kritiker säumen den Weg, der in die Nachwelt führt. Dichter, die gleichsam schon von Geburt eingebunden waren, wollen manchmal eine genaue Grenze zwischen Journalistik und Literatur ziehen und im Reich der Ewigkeiten den Numerus Clausus für Tagesschriftsteller einführen. (...) Ein Journalist aber kann, er soll ein Jahrhundertschriftsteller sein. Die echte Aktualität ist keineswegs auf 24 Stunden beschränkt. Sie ist zeit-und nicht tagesgemäß.25
Trotz des Erfolges seiner Arbeit befand sich Roth auf einer andauernden Flucht, und zugleich auf einer immerwährenden Suche. In seinem gesamten Werk, dreizehn Romane, acht Erzählungen sowie hunderte von Feuilletons und Glossen finden wir immer wieder dieselben Themen, Schauplätze und Figuren, zwischen denen er versucht seine Vergangenheit und seine Erfahrungen zu verstehen und zu verarbeiten. Auch er selbst taucht in einen Romanfiguren immer wieder auf:
(...) da stand mein Freund Tunda, gesund und frisch, ein junger starker Mann von allerhand Talenten, auf dem Platz vor der Madeleine, inmitten der Hauptstadt der Welt und wußte nicht, was er machen sollte. Er hatte keinen Beruf, keine Liebe, keine Lust, keine Hoffnug, keinen ehrgeiz und nicht einmal Egoismus.- So überflüsig wie er war niemand in der Welt.26
Geprägt von seinen Kriegserlebnissen, ohne den Rückhalt einer erfüllten Kindheit, haltlos nach dem Untergang seines Vaterlandes, der österreichisch-ungarischen Monarchie, schuld an der Krankheit seiner Frau fand er sich 1926 in Paris. Fand er all das in seiner Phantasie, welche ihm die Feder führte?
Ich kenne, glaube ich, die Welt nur wenn ich schreibe.27
Er war ein Assimilant, ging nach Wien und Berlin um ein deutscher Schriftsteller zu werden, schuf als solcher in Paris seine größten Werke, wurde ein Franzose aus dem Osten. Seine wahre Heimat aber war die Schriftstellerei:
Das Vaterland des echten Schriftstellers ist die Sprache.28
Hier, in seinen Romanen; fand er die geforderte Klarheit.
Nicht nur wenn man nichts zu sagen hat muß man schweigen, sondern auch, wenn man etwas nicht genau ausdrücken kann.29
Sein Stil war eine subjektiv argumentierte, und gerade darum objektive Darstellung, eine starke Bildhaftigkeit, blendender, überraschender Witz in der Formulierung, eine Neigung zum Extremen im Auskosten des Wahrgenommenen. Beobachtung und künstlerische Phantasie schlossen sich für Roth nicht aus-im Gegenteil, erst durch das, was der Künstler hinzufügt, lies sich, seiner Auffasung nach, Realität durch Gestaltung vermitteln.


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Themen


Der Umfang seines journalistischen Werkes zeigt ein breites Spektrum des Lebens der 20er Jahre. Der Bogen seiner Erzählungen spannt sich von Millieubeschreibungen (Arbeitslos31, Berliner Bettelmusikanten32) und Ortsschilderungen (Dorfidyll bei der Untergrundbahn33, Die Hafenstadt Berlin34), bis zu politischen Themen (Die fremden Brüder35), die sich mit der Nachkriegsituation in Wien beschäftigen oder Minister Moisi36, ein Gespräch das den Konflikt zwischen Kunst und Politik thematisiert.Aber auch Kunstkritiken (Jedermann37, Wiener Komödienhaus.die Gabe Gottes38), Dokumentationen und Berichterstattungen (Die Wahrheit über Deutsch-Westungarn39) gehören zu seinem Werk. Was sein Werk aber so wertvoll macht sind die Alltagsszenerien, die uns J. Roth so eindringlich zu beschreiben vermag. Wenn er zum Beispiel über die Mittelschulspeisung im Kurpark40 berichtet, wird dem Leser gleichzeitig ein Stück Zeitgeschichte überliefert, und uns ein historisches Bild beschrieben, welches in der Schlichtheit seiner Schilderung weit komplexere Hintergründe einfach zu erklären vermag. Nur in der Frage der Frauenemanzipation hat er sich in geradezu amüsanterweise geirrt. Tatsächlich könnte man sagen, daß inzwischen der Satz gilt:
Wenn du zum Weibe gehst, vergiß die gotische Grammatik nicht.41
Das die Welt nun aber um soviele Dinge ärmer geworden wäre, nämlich neben der Peitsche auch um die Schönheit, wie er 1919 in der Wiener Mode schrieb, hat sich glücklicherweise als falsch erwiesen. Wir entdecken auf seinen Spaziergängen z. B. einen kleinen Laden in der Wollzeile der Photografien von berühmten Persönlichkeiten verkauft.42 Nicht jedoch die üblichen Bilder in den überliefernswerten Posen, sondern die heimliche, peinlichen Schnappschüsse, die durch ihre banale Alltäglichkeit, die sonst so übermenschlich wirkenden Heroen umso lächerlicher erscheinen lassen. Eine stille Genugtung für den kleinen Mann. Oder der Laden des Unsinns43, in dem tausenderlei Scherzartikel feilgeboten werden, mit denen man seine Freunde zum Narren halten kann. Eigentlich ein Laden der Bosheit und Ignoranz, ein Ort der Grausamkeiten. Hier bekommt man einen Notizblock auf dem man nicht schreiben kann und einen Bleistift, der das Papier zerreißt. Doch Roth wußte,
es gibt Käufer für alle diese Dinge. Menschen, die sich das Leben verbittern, um davon eine Freude zu haben.44
Wir bereisen mit ihm Deutschland 1924 und erkennen langsam die beginnende Resignation J. Roths: In Weimar wird ihm ganz schwarz vor Augen, wenn er beobachtet wie die Reichsoffiziere mit unnachahmlicher Würde kameradschaftliche Unterhaltung zelebrieren. Die Ironie schlägt um in Zynismus, wenn er respektvoll über das taktvolle Benehmen der Münchner Polizei schreibt, die sich zu benehmen weiß und
aus respektvollem Abstand zusieht, wie nur ein Dutzend Studenten, die ihren vaterländischen Schmerz im Bier ersäuft hatten, eine kleine politische Differenz auszutragen hatten. Sie schlugen mit den Stöcken aufeinander ein, sangen die Wacht am Rhein und ließen im Übrigen ihren inneren Gefühlen freien Lauf, was zur Verschönerung der Straße wesentlich beitrug.45
Szenen die in heutiger Zeit fast schon wieder alltäglich geworden sind, wenn wir an die kümmerliche Aufklärungsrate bei Überfällen auf Ausländer, und die politische Orientierung, insbesondere der bayrischen Polizei denken. Roth hört aber nicht auf, in seinem amüsierenden Tonfall die verlogene Oberflächlichkeit der bürgerlichen Schichten anzuklagen.In Die nackte Tänzerin46 schreibt er:
Es ist eine heitere Welt. Sie hat keine Probleme, sonderen Schwankmotive, sie hat keine Gedanken, sondern Pikanterien.47
1919, noch frei von ideologischen Kämpfen, entstand Arbeitslos, ein Zeitbild31 in dem sich manch einer auch heute noch erkennen würde, denn das wesentliche am menschlichen Leid, das Josef Roth uns so klar schildert, änderte sich bis heute nicht.
Der Arbeitslose kannte die Seele des Vorzimmers. Man mußte warten. Der Herr öffnete die Türe. Er hatte gut gegessen. (...) Alle Menschen die satt waren, waren einander ähnlich.48
Auch gesellschaftskritisch schrieb er. Unter dem Protektorate49 behauptet Wien sei die Brutstätte der Protektionen gewesen.
Der König sprach und 5000 Schmarotzer liefen. Strebende Künstler prostituieren sich in Huldigungen. Wozu ernannte man Professoren zu erblichen Hofräten? Damit sie schöne Knickse machen vor stupiden Hohheiten.50
Die Kommunistenburg51 liefert uns ein Beispiel für das Begriffspaar visuelle und taktille Rezeption. Visuell: anscheinend ein Haus wie alle Häuser. Durch den Gebrauch des Hausherren, der kein geringer als ein Begriff, eine Idee, eine Macht oder eine Überzeugung ist, wird das unauffällige Haus sofort zu einer Burg. Einer Kommunistenburg eben. Einen besonders gut gelungenen Spiegel seiner Zeit liefert das Stück Berliner Bettelmusikanten32. Zu Zeiten, da der Jazz zum erstenmal nach Europa kam, jener heißblütigen Musik, bei der die Musiker mit ihren Instrumenten in einer ekstatischen Symbiose vereinigten, zeugten die melancholischen Leierkästen ganz im Gegenteil dazu von der Armut, der geistigen und der materiellen. Ein Motiv das Roth immer wieder als Metapher für Sehnsucht und Sentimentaltität verwendete. Keine Muse liegt im Leierkastenspiel, kein Fleiß, keine Arbeit, geschweige denn Musikalität; Es ist eine rein mechanische Tätigkeit, das simple Drehen der Kurbel. Doch das Bittere daran: man benötigte zuerst eine Lizenz. Diese Lizenz verleiht einem das Privileg, aufgrund eines Kriegsgebrechens öffentlich leiern zu dürfen. Sofern man einen Kasten besitzt. Doch die staatliche Fürsorge für die Kriegsversehrten, welche ihre Knochen oder gar einen ihrer Sinne auf dem Feld der Ehre gelassen hatten, begnügt sich zumeist damit, Lizenzen zu vergeben, Papier zu verteilen. Um den Leierkasten muß der Bedürftige sich selbst kümmern. Der Text Berlin verfällt-Wien lebt52 liefert eine vergleichende Beschreibung der beiden Hauptstädte Berlin und Wien. Erschienen 1923 in einer Berliner Tageszeitung, also der Ära der ”goldenen Zwanziger”, beschreibt er seine beiden Wahlheimaten, ohne jedoch bei einer oberflächlichen Darstellung verhaften zu bleiben. Der Fremde den er mimt kennt die beiden Städte, ihre Bewohner und Mentalitäten tatsächlich sehr gut. Deutliches Symbol des Verfalls sind für ihn die Geschäftsauslagen in der Innenstadt, normalerweise gefüllt mit dem Luxus den die Händler anbieten. Eine Situation die der Autor jetzt in Berlin, und vor kurzem auch in Wien beobachten konnte.Während Wien mit seinen Problemen es verstand die Meinung der Öffentlichkeit hinter sich zu bringen und ein sentimentales Interesse53 zu finden, verdrängt das Berliner Volk den drohenden Untergang, versucht ihn zu verheimlichen:
Der Fremde sieht immer noch Leben täuschendes Sich-Bewegen in den Straßen.54
Zur Charakterisierung Berlins schildert er uns Straßenszenen aus Berlin, Dinge die ins Auge fallen, die den Eindruck des Fremden prägen nicht ohne über die tatsächlichen Hintergründe aufzuklären: Berliner Unruhe, imponierende Schnelligkeit, Strom der Autowolke, gefüllte Autobusse, verkehrende Straßenbahnen. Alles Ausdrücke aus einer mechanisierten Welt, die Assoziationen wie Entfremdung, Anonymität, Kälte hervorrufen, vielleicht sogar eine gewisse Technikangst jener Zeit ausdrücken sollen, wie es z.b. auch bei Fritz Langs Metropolis passierte. Doch selbst der vermeintliche Fortschritt den alle diese Maschinen symbolisieren sollen ist nur noch ein Schein der mühsam gewahrt wird.
Diese Stadt, aus Hast geboren, in Hast lebend wird auch in Unrast sterben55
; die Stadt als Opfer seiner Bevölkerung. In Wien hingegen, der friedlichen Etappe, gibt es reichlich Essen, Ruhe, ordentliche Kleider, ganze Stiefelsohlen, elegante Frauen56. Der Blick fällt hier auf die Bevölkerung, nicht auf seine technischen Errungenschaften, und hieran werden die Qualitäten der Stadt gemessen. Die Bewohner Wiens prägen den Charakter ihrer Stadt, die Stadt dient dem Menschen, und nicht umgekehrt wie in Berlin.
Freilich sitzt der Wiener im Kaffeehaus. Muß er deßhalb unpünktlich im Büro sein?57
Zwei Städte represäntieren zwei unterschiedliche Philosophien: Berlin, das verzweifelt dem Glück hinterherjagt um seinen Frieden zu finden. Wien, das seinen Frieden gefunden hat durch das savoir-vivre seiner Bevölkerung.
In Wien werden Witze gemacht, in Berlin ist das Blasphemie.58



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Reflexion


Im Laufe des Seminars haben wir die unterschiedlichsten Arten von Stadt-Wahrnehmungen kennengelernt: die idealisiert-abstrakte des Planenden (Corbusier, Hilberseimer, Endel), aber auch die des Philosophen (M. Weber). Wir haben sie betrachtet durch den Blick des Malers (E.L. Kirchner) des Photographen, des Filmemachers (F. Lang) und haben sie beschrieben bekommen von den Lyrikern (G.Benn, G.Heym, G.Trakl). Sie alle haben ihre eigenen Stilmittel entwickelt um uns ihre subjektive Vorstellung von Städten zu vermitteln. Fritz Lang´s Megalomanie, E.L.Kirchner‘s verzerrte Formensprache, die mystische Sprache der Expresionisten seien hier exemplarisch erwähnt. Joseph Roth, der Feuilletonist, will, im Gegensatz zu den o.g. Künstlern die breite Leserschaft einer vielgelesenen Tageszeitung ansprechen. Seine Arbeiten sind weniger selektiv, an keinen exklusiven Betrachterkreis gerichtet; seine Sprache weniger subtil als die der Lyriker, seine Intentionen weniger versteckt, kurz: seine Arbeiten sind populärer. Umso einfacher fällt es uns heute, seine Wege nachzuvollziehen, seine Stadt in seiner Zeit zu erkennen und zu begreifen.


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Anmerkungen


Br Joseph Roth: Briefe 1911-1939. Hg. Hermann Kesten. Kiepenheuer & Witsch, Köln, Berlin 1970
We Joseph Roth: Werke,Hg. Westermann/Hackert Kiepenheuer & Witsch, Köln, 1989-1991
B David Bronsen: Joseph Roth. Eine Biographie. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1974
Hn Helmuth Nürnberger: Joseph Roth. Eine Biographie. Rowohlt Taschenbuch Verlag,Hamburg 1981
Jw Joseph Roth: Juden auf Wanderschaft. Kiepenheuer & Witsch, Köln, 1985, KiWi 81+
Ub Joseph Roth: Unter dem Bülowbogen, Prosa zur Zeit. Hg. R.-J. Siegel, Kiepenheuer & Witsch, Köln, 1994
Rem Remarque, Erich Maria: Im Westen nichts Neues,Kiepenheuer & Witsch, Köln, KiWi 272
Flu Joseph Roth: Die Flucht ohne Ende. Roman, Kiepenheuer & Witsch , Köln, KiWi 329
Eek Egon Erwin Kisch: Gesammelte Werke in Einzelausgaben. Hg. B. Uhse/ G. Kisch, Aufbau Verlag, Berlin/ Weimar, 1993
1 Br, 165
2 B, 114
3 We, Bd 6, 238
4 Hn, 26-27
5 We, Bd 2, 281
6 We, Bd 1, 261 ff
7 B, 84
8 Hn, 34
9 Hn, 38
10 Br, 35
11 Rem
12 B, 195
13 Br, 50
14 Br, 40
15 Br, 57
16 B, 263
17 Jw, 47
18 Br, 57
19 Br, 266
20 Br, 262
21 We, Bd 6, 337
22 Hn, 91
23 Br, 88
24 We, Bd 2, 825
25 We, Bd 2, 519
26 We, Bd 4, 496
27 Br, 452
28 We, Bd 3, 675
29 Br, 70 ff
30 Flu
31 Ub, 11
32 Ub, 132
33 Ub, 143
34 Ub, 136
35 Ub, 17
36 Ub, 33
37 Ub, 95
38 Ub, 84
39 Ub, 39
40 Ub, 26
41 Ub, 67
42 Ub, 257, Das Gesicht der Heroen
43 Ub, 259
44 Ub, 262
45 Ub, 264
46 Ub, 271
48 Ub, 13
49 Ub, 14
50 Ub, 16
51 Ub, 29
52 Ub, 190
53 Ub, 191
54 Ub, 191
55 Ub, 191
56 Ub, 192
57 Ub, 193
58 Ub, 193
61 Eek, Bd. 6, 637
62 Eek, Bd. 9, 471
63 Eek, Bd. 9, 475
64 Eek, Bd. 6, 638


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Bibliographie


Deutsches Literatur Lexikon, Biographisch-Bibliographische Handbuch, Hg. H. Rupp/ C. L. Lang, Franke Verlag, Bern, 1981journal Fritzsche, Peter: Reading Berlin 1900. Harvard University Press, London, 1996 Harenberg Kompaktlexikon in 5 Bänden, Hg. Bodo Harenberg, Hareberg Lexikon Verlag, Dortmund, 1994 Kisch, Egon Erwin: Der rasende Reporter. In: Egon Erwin Kisch. Gesammelte Werke in Einzelausgaben 6. Hg. Bodo Uhse und Gisela Kisch. Berlin, Weimar: Aufbau, 6.Auflage 1993. Kisch, Egon Erwin: Hetzjagd durch die Zeit. In: Egon Erwin Kisch. Gesammelte Werke in Einzelausgaben 6. Hg. Bodo Uhse und Gisela Kisch. Berlin, Weimar: Aufbau, 6.Auflage 1993. Kisch, Egon Erwin: Wagnisse in aller Welt. In: Egon Erwin Kisch. Gesammelte Werke in Einzelausgaben 6. Hg. Bodo Uhse und Gisela Kisch. Berlin, Weimar: Aufbau, 6.Auflage 1993. Kisch, Egon Erwin: Kriminalistisches Reisebuch. In: Egon Erwin Kisch. Gesammelte Werke in Einzelausgaben 6. Hg. Bodo Uhse und Gisela Kisch. Berlin, Weimar: Aufbau Verlag, 6.Auflage 1993. Kisch, Egon Erwin: Mein Leben für die Zeitung 1906-1925. Journalistische Texte 1. In: Egon Erwin Kisch. Gesammelte Werke in Einzelausgaben 9. Hg. Bodo Uhse und Gisela Kisch. fortgeführt Fritz Hofmann und Josef Polácek. Berlin, Weimar: Aufbau Verlag, 2.Auflage 1993. Literaturlexikon, Autoren und Werke Deutscher Sprache, Hg. Walter Killy, Bertelsmann Lexikon Verlag, München, 1990 Nürnberger, Helmuth: Joseph Roth. Hg. k. und B. Kusenberg, 8. Auflage, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg, 1981 Österreichisches Biographisches Lexikon 1815-1950, Hg. L. Santifaller, Verlag Hermann Böhlaus, Graz/Köln, 1965 Roth, Joseph: In Berlin, Ein Lesebuch für Spaziergänger, Hg. M. Bienert, 2. Auflage, Kiepenheuer & Witsch, Köln 1996 Roth, Joseph: Unter dem Bülowbogen, Prosa zur Zeit. Hg. R.- J. Siegel, Kiepenheuer &Witsch, Köln 1994 Roth, Joseph: Juden auf Wanderschaft., Kiepenheuer & Witsch, Köln 1985, KiWi 81 Bildnachweis Titelbild: Die Wortstadt, Grafik, Jochen Baumgartner, Graz, 1997 Ullstein Bilderdienst, Berlin : 9 Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln: 12, 15, 18 Bidarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin: 17 Mies Blomsma, Paris 1938, Joseph Roth im Café: 27


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